Mein Papa hat es geschafft

Friedhelm Glückmann
18.12.1932 – 29.07.2017

Samstag morgen bekam ich einen Anruf aus dem Heim, dass es Papa nicht gut geht. Ob sie den Bereitschaftsarzt rufen sollen oder ihn direkt ins Krankenhaus bringen sollen… Bine und ich haben und vor kurzem mit einem Arzt darüber unterhalten, was wir tun sollen, aber ich wollte noch einmal mit Bine Rücksprache halten und rief sie an. 5 Minuten später rief ich das Heim zurück und eine Schwester teilte mir mit, dass Papa in den 5 Minuten ganz ruhig eingeschlafen ist……….

Auch, wenn wir schon darüber geredet haben und wenn man den Zerfall sieht und eigentlich weiß, dass die Zeit abzählbar geworden ist, war es trotz allem ein Schock: so schnell.

Wir wollten uns nachmittags bei ihm treffen und wieder mit ihm Eis essen gehen; das hat er geliebt. Bine war Freitag noch mit ihm im Cafe des Haus Horst. Da war es schon nicht gut drauf. Aber er hat sich immer für uns zusammen genommen, kein Klagen, kein Meckern. Er war so genügsam. Wir wollten ihm alles so angenehm , wie möglich machen und fragten ihn immer, ob er noch etwas bräuchte, ob er Wünsche hat. Nein, es war immer alles in Ordnung. Er hat nie zugegeben, dass er Schmerzen hat – und er muss Schmerzen gehabt haben: Oberschenkel-Halsbruch, Rückenwirbel angebrochen, wahrscheinlich einen wunden Hintern, vom ewigen Liegen, Nierenstein, etc. – aber er hat nie gejammert, hat eher noch seine „blöden“ Sprüche losgelassen……….

Die letzten Wochen waren für ihn echt schlimm, denn er konnte – warum auch immer – nicht mehr richtig schlucken; so schmeckt auch sein geliebtes Eis und Kuchen nicht mehr und Essen macht überhaupt keinen Spaß mehr. Und er hat gut und gerne gegessen: ein Lieblingsbild von mir ist, wie er im Heim seinen Teller mit Bütterchen bekommen hat, seinen Becher Tee (lieber als Kaffee) und dann, wie ein kleiner Junge, die Bütterchen gemümmelt und zwischendurch den Tee geschlürft hat. Dann sah er (fast) glücklich und sehr zufrieden aus.

Wenn ich bedenke, dass er erst letztes Jahr in seinem Haus gestürzt ist (13.Mai), einen Monat später ins Heim gekommen ist (13.Juni), bin ich entsetzt: Was? Das ist alles NUR 1 Jahr her?

Das Jahr war so vollgepackt mit einer Hoibsbotschaft nach der anderen: wie oft war der arme Kerl im Krankenhaus… Dann ging es leicht aufwärts und schon passierte wieder etwas Unerwartetes. Er rannte im Dezember noch mit seinem Rollator durchs Heim und mischte alle mit seiner guten Laune auf. Bei den Quiz-Veranstaltungen wurde er schon nicht mehr drangenommen („Herr Glückmann, lassen sie doch auch mal die anderen…“), ging aber trotzdem hin. Im Dezember wollten wir ihn zu einem Konzert von Bines Afrika-Chor abholen, hatten den Termin extra in seinen Kalender geschrieben: Zimmer dunkel, kein Papa da. die Schwestern meinten, dass er gerade noch beim Bingo gewesen wäre, aber jetzt? Keine Ahnung. also durchforsteten wir das Heim und fanden ihn mit einem Herrn und einer Dame gaaaanz hinten in einer der Kuschelecken beim Mühle spielen du wurden erstaunt mit den Worten „Was macht ihr denn hier?“ begrüßt. als ihm dann klar wurde, dass wir eine Verabredung zum Konzert haben, verabschiedetet er sich formvollendet du wir konnten endlich los. Beim Konzert ließ er es sich auch nicht nehmen stehend mit zu klatschen. Den Afrika-Chor hat er auch geliebt.

Ach, die Tränen steigen schon wieder hoch…

Wir hatten viele Auseinandersetzungen und zwischendurch habe ich echt geglaubt, dass wir das nicht mehr hinbekommen, aber die letzten Jahre hat sich viel geändert. Durch Mamas Krankheit und Papas Versuche, ihr zu helfen, ist unsere Beziehung ganz anders geworden. Ich hätte NIE gedacht, dass es mir nichts ausmacht, ihn an- und auszuziehen und andere pflegerischen Maßnahmen vorzunehmen. Ich hab mich damals noch mit Martin darüber unterhalten und wir beide waren uns einig, dass wir das NIE hinbekommen würden: ich habe es einfach gemacht und ich habe es gerne gemacht.

Früher hat Papa auf uns aufgepasst und nun haben wir die Aufsicht übernommen. Und was haben Bine, Andi, Micha und ich gekämpft, besonders mit Ärzten und Krankenhäusern – nicht mit allen, aber sehr vielen.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge nehme ich Abschied:
das lachende Auge, weil es ihm jetzt wieder gut geht, er keine Schmerzen mehr hat. Er ist jetzt wieder bei Mama, die er sehr vermisst hat.
das weinende Auge, weil ich jetzt schon vermisse und ihm noch so viele schöne Momente gegönnt hätte.

Er hat kurz vor Mamas Tod zu ihr gesagt: „Warte noch 2 Jahre, dann komme ich mit.“
Er hat Wort gehalten: Mama ist am 24.September 2015 gestorben

Papa, du fehlst mir jetzt schon, ich hab dich lieb

PS: hier noch ein Nachruf aus der Judowelt: NWJV

PPS: Ein großer Dank an alle, die ihn besucht haben: Nachbarn, Freunde, alte Kollegen von Henkel, Judokas
Das hat ihm sehr viel bedeutet

2 Gedanken zu „Mein Papa hat es geschafft“

  1. Friedhelm war immer ein engagierter Pfundskerl. Ob Übungsleiterkurse, Fahrten zur Ellerstraße in seinem Ford Escort, der halbe Rhode-Katalog im Haus, die immer gute Laune, immer ein nettes Wort. Das waren glückliche und tolle Zeiten und sind angenehme Erinnerungen – in denen wird er ein Stück weiterleben. Ich kann mir vorstellen, dass er sein Seniorenheim „aufgemischt“ hat, das war Friedhelm! Ich bin traurig. Mein herzliches Beileid!

    1. Lieber Robert,
      vielen Dank für die schönen Worte.
      Ja, so war Papa und so wird er auch in Erinnerung bleiben.
      Liebe Grüße
      Petra

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